Eine Zeitkapsel wird geöffnet
Dago Schelin ist „brasiliadeutsch“. Ein Teil seiner Vorfahren war 1911 von Deutschland nach Brasilien ausgewandert. Dago wuchs in Brasilien auf und lebt seit ca. einem Jahr in Marburg. Mit dem wiedererlernen der Sprache kam auch die Erinnerung an Lieder aus seiner Kindheit. Es sind Lieder, die seine Mutter für ihn gesungen hat, und welche sie als junges Mädchen von seiner Oma hörte. Einige dieser Lieder sind sehr bekannt, wie z.B., „Guten Abend, gute Nacht“, von Johannes Brahms. Andere Lieder sind selbst beim quasi-allwissenden Google nicht zu finden. Viele dieser Lieder sind in Deutschland in Vergessenheit geraten, wurden aber, wie in einer Zeitkapsel, von deutschen Einwanderern und ihren Folgegenerationen in Brasilien gespeichert und bis heute aufgehoben. Einige dieser Lieder befinden sich in einem, vor hundert Jahren geschriebenen Heft seiner Urgroßmutter Rosa Hetzel. Wertvolle Erinnerungen an einen wichtigen Bestandteil der deutschen Kultur, die in einer altmodischen Art aufgehoben wurden, und uns heute Zugang zu einer vergessenen Vergangenheit verschaffen. Aber in diesem Projekt geht es nicht um Sehnsucht oder Nostalgie, sondern um die Wertschätzung für das, was schön ist, sowie um eine Kontextualisierung und die Erschaffung neuer Fusionen. Was könnte dieses Ziel besser umsetzen als die Vermischung von Bossa Nova mit deutschen Texten? Die Suche nach deutschen Musikern, die auch mit moderner brasilianischer Musik vertraut sind, brachte ihn mit dem Lollarer Musiker Peter Herrmann zusammen. Herrmann hatte bereits in verschiedenen Formationen südamerikanische Musik gespielt. In den vergangenen beiden Jahren hatte er, mit der Unterstützung des Mittelhessischen Kultursommers, Musiker aus Afrika mit Kollegen aus der Region zusammengebracht und zwei überaus erfolgreiche Tourneen organisiert. Schon beim ersten Treffen der beiden Musiker wurde klar, wie sehr die, auf den ersten Blick scheinbar konträren Musiken miteinander verschmolzen. Im brasilianischen Gewand erscheinen die alten Volkslieder in einem völlig neuen Licht. Im Altbekannten entdeckt man plötzlich völlig neue Facetten. „Guten Abend, gute Nacht“ wirkt so, als hätte Brahms es an der Copacabana komponiert, und „Hejo, spann den Wagen an“ wird zur feurigen Samba und fordert zum Tanz auf. Sowohl unsere brasilianischen, als auch die deutschen Freunde, denen wir unsere Probeaufnahmen vorspielten, waren einhellig der Meinung, dass wir damit etwas zusammenführen, was zusammenfinden soll. Die Musik, die dabei erklingt ist gleichermaßen vertraut und doch völlig einzigartig. Wir möchten mit unserem Projekt aber nicht nur Musik (und Musiker) aus unterschiedlichen Teilen der Welt zusammenführen. Darüber hinaus hoffen wir, dass Menschen aller Altersgruppen Freude an den Konzerten haben werden. Sicher aber, wird das Projekt dem einen, oder anderen Besucher neue (oder alte) Aspekte nahebringen. Dago Schelin: Gitarre, Voc. Peter Herrmann: Bass Olaf Roth: Piano Moritz Weissinger: Drums German Marstatt: Flügelhorn |
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